Der Anfang
1990
Alles begann mit einem etwas größerem Aquarium- günstig erworben als meine Frau und die Kinder im Urlaub waren. Ein Teil der Schrankwand im Wohnzimmer musste dafür weichen. Natürlich musste ich meine Frau vorbereiten, auf das, was in Zukunft auf sie zukommt.
Solche Sachen spielt man Anfangs am liebsten etwas runter: „Schatz ich habe ein Aquarium günstig bekommen. Es ist etwas größer als das alte und die Schrankwand habe ich schon sooo satt und man muss auch mal Opfer bringen...“ Häppchenweise wurde das serviert und dann gab es kein Zurück mehr. Ein schönes Aquarium mit Diskusfischen hatte ich versprochen. So besuchte ich mit meinem umfangreichen Einkaufszettel und den Kopf voller Pläne ein neu eröffnetes Geschäft eines Zoohändlers.
In seinem Schauaquarium am Tresen war ein wunderschönes Seewasseraquarium aufgebaut. Als Süsswasseraquarianer hat man ja so seine Vorurteile was Kosten und Aufwand eines solchen Aquariums betrifft. Um so größer war meine Verwunderung über die minimalistische Technik und der auf den ersten Blick gering erscheinende Pflegeaufwand, wie mir der Inhaber versicherte. Nachdenklich verließ ich das Geschäft, denn gefallen hat mir das was ich da sah!
Die Entscheidung für die Diskusfische wurde erst mal vertagt. Da ich normalerweise sehr viel Zeit brauche um Tiere zu kaufen, war meine Frau verwundert über meine schnelle Rückkehr. Ich habe sie daraufhin gebeten mit mir zusammen die Tiere auszusuchen ohne von dem Seewasseraquarium zu berichten.
Und so musste kommen was dann kam: „das will ich haben und nichts anderes“ war der Kommentar meiner Frau nach dem Besuch des Zoohändlers...
Nun ja, ich hatte ja so meine Bedenken: Kosten, Aufwand und dann immer der Gedanke, was wenn es nicht funktioniert? Ich hatte ja keine Ahnung was auf mich zukommt- ein durchaus beängstigendes Gefühl. Und das mit einem 660 Liter fassendem Aquarium.
Also erst mal lesen, aber welches Buch ist wirklich hilfreich? Mein erstes Buch war das „Optimale Seewasseraquarium“ von Horst/Kipper weil ich schon recht gute Bücher zur Süsswasseraquaristik von den beiden kannte. Das Geheimnis ihres Rezeptes: Lebende Steine, Strömung, Licht, Rieselfilter und Geduld. Im Buch sah das alles recht einfach aus und schien immer zu funktionieren, wie das in diversen Fachzeitschriften ebenfalls berichtet wurde.
Beim Zoohändler nachgefragt wurde mir die Vorgehensweise bis auf eine Ausnahme bestätigt. Wie die meisten sicher erraten haben, wurde dem Abschäumer Vorzug vor dem Rieselfilter gegeben. Zu meinem Glück habe ich dann doch einen Abschäumer erworben (den ich Anfangs zur Rieselfiltertechnik zusätzlich einsetzte).
Nach einiger Zeit waren Technik installiert, Salz im Wasser und die Steine hin- und hergeschoben, das Lebendgestein konnte endlich eingesetzt werden. Nach und nach wurde die Beleuchtung hochgefahren und die Regeneration der Lebewesen auf dem Gestein begann.
Wer so etwas das erste mal erlebt, wird mir zustimmen, dass es eine sehr spannende Zeit ist. Algen entstehen und vergehen; kleines, unbekanntes Getier huscht über den Sandgrund und zwischen dem Gestein. Doch alles ist nichts gegen die erste Koralle die man sich einsetzt. Ob das auch wirklich gut geht? Ich kann Euch versichern, ich hatte manch schlaflose Nacht und Sorge dass mir die Tiere eingehen. Doch nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil: das Aquarium und seine Insassen überraschten mich mit Wachstum, herrlich geöffneten Polypen und sanften Bewegungen.
Leider ist da wo Licht ist, auch Schatten. In meinem Fall sozusagen Schlagschatten in Form von Fadenalgenmatten, die zwischen den Korallen und Anemonen sich immer weiter ausbreiteten.
Und in dem Maß wie die Algen aufkamen, war der erfreuliche Anblick dahin. Was also tun? Wassertest um die Ursachen der Algenplage zu finden gaben keinen Hinweis. Nitrat 0, Phosphat 0! Mein Zoohändler riet mir zur Kalkwassermethode. Nach wie vor kein Erfolg. Nächster Schritt: Kauf einer Osmoseanlage. Auch hier keine wirkliche Verbesserung dieser Situation. Mir viel auf, dass der Vorfilter der Osmoseanlage war innerhalb kurzer Zeit zugesetzt mit braunem Schlamm. Eisenüberschuss? Ein Eisentest ergab Messwert 0! Es war wie verhext.
War die Lichtquelle die Ursache? Brennerwechsel, Leuchtstofflampen gewechselt- immer noch keine Besserung. Algen fressende Tiere hatte ich im Aquarium, aber ausgerechnet diese Alge war eine von den wenigen, die nicht gefressen wurden.
Mein Vertrauen in den Zoohändler, der mir viele technische Dinge verkaufte um das Problem in den Griff zu bekommen, hatte einen gewaltigen Knacks bekommen.
Schließlich habe ich mich Leuten zugewendet, die auch Meeresaquaristik betreiben um mir da Rat zu holen. Als Problem wurde der Rieselfilter benannt, der dann außer Betrieb genommen wurde. Ob das der alleinige Verursacher meiner Algenplage war, kann ich nicht beurteilen. Kurze Zeit nach der Umstellung habe ich eine neue Wohnung bezogen und nie wieder Probleme mit Algen gehabt. Möglicherweise kommt das Wasser hier aus einer anderen Quelle. Hier war auffällig, dass der Vorfilter der Osmoseanlage kaum Rückstände aufwies. Mit Sicherheit kamen noch andere Ursachen in Frage, die ich im Rückblick erst stärker beachtete als ich das Aquarium neu einrichtete.
Heute blicke ich auf über 25 Jahre Erfahrungen und der Einrichtung mehrerer Seewasseraquarien zurück und kann viele der als Dogma vertretene „Grundlagen“ relativieren oder andere Herangehensweisen haben sich einfach als besser geeignet herausgestellt. Entscheidend ist das, was man erreichen möchte und dass man das Aquarium so gut wie irgend möglich an den Bedürfnissen der Tiere ausrichtet. Die dazu erforderlichen Kenntnisse zu erwerben, die Tiere zu beobachten und die richtigen Schlüsse zu ziehen ist nicht immer einfach. Noch schwerer ist es auf den Erwerb von beliebten und begehrten Tieren zu verzichten, wenn man die Ansprüche nur ungenügend erfüllen kann. Ganz besonders trifft das auf die Wirbeltiere zu und es ist erschreckend, wie wenig Kenntnisse viele Aquarianer haben. Das Wort eines Zoohändlers wird oftmals über das Studium der Lebensansprüche gestellt.
Sicher wird hier der eine oder andere sagen, das sind typische Anfängerprobleme. Leider nein, wenn man sich in den Internetforen umschaut. Doch das ist vielleicht einmal Thema für einen anderen Beitrag.
LG Dietmar