Die Ostsee im Glas

  • Ostseeaquaristik


    Unsere marinen Heimatgewässer sind aquaristisch durchaus nicht erschlossen. Trotz ihrer faszinierenden Pflanzen- und Tierwelt ist ihr Bekanntheitsgrad sehr gering. Das ist sehr bedauerlich, denn es ist durchaus möglich einen kleinen Ausschnitt zu Hause nachzugestalten und die Erkenntnisse in der Tierpflege und heutige technische Möglichkeiten lassen im Gegensatz zur kurzen Zeitspanne von vor 10 Jahren einen wesentlich größeren Gestaltungsspielraum zu.
    Viele der sich manifestierten Erkenntnisse und Anschauungen können aufgegeben werden und sollte dieser Beitrag eine Anregung für interessierte Aquarianer sein, wäre mir das eine besondere Freude.


    Besonderheiten der Dekoration


    Da wir kaum über aktuelle Literatur in deutscher Sprache verfügen, sind wir auf bisherige Veröffentlichungen angewiesen. Sie werden feststellen, dass solche Artikel recht spärlich verfügbar sind und viele überholte Anschauungen immer wieder neu publiziert werden. Natürlich ist es nicht immer einfach den erforderlichen Bedürfnissen der Aquarienbewohner zu entsprechen- unmöglich ist es nicht. Was mir mit meinen Mitteln möglich ist, sollte Ansporn sein für weitere Pflegeversuche.
    Für mein Aquarium habe ich eine Sandzone mit Seegras und eine kleine Zone für die Substratbewohner geplant. Mir ist selbstverständlich bewusst, dass Seegräser und Makrophyten sehr hohe Anforderungen an ihre Umwelt stellen. Dazu kommt noch der Tierbesatz, der sehr hoch spezialisiert an bestimmte Makrophyten und Substrate gebunden ist. Pflanzen und Tiere bilden eine Lebensgemeinschaft, die ähnlich wie Steinkorallen äußert empfindlich auf Parameterabweichungen ihrer Lebensbedürfnisse reagieren und irreparabel geschädigt werden können. Die eigentliche Herausforderung sind die Laichkräuter zu denen das Seegras gehört und die Tange. Rot- und Grünalgen sind etwas einfacher in der Haltung und ihre Gameten lassen bei Zerfall einer Pflanze selbst nach einem Jahr ohne Neubesatz immer wieder kleine Pflanzen entstehen, die den Aquarienbedingungen besser angepasst sind. Als ebenfalls empfindliche Pfleglinge haben sich die das Seegras besiedelnden Asseln und Isopoden herausgestellt, die enorm wichtig für die Pflanzen sind.
    Die Sandbodenzone, die etwa 80% des Aquariums ausmacht, muss genau wie die Sandbettaquarien der tropischen Aquarien besiedelt werden, Nahrung und Wasserbewegung für das Sandbett erfordern eine spezielle Herangehensweise. Für die Strömung wurde ein Ring mit mehreren Austrittsöffnungen im Bodengrund verlegt; einige Abgänge wurden für die Hinterspülung des Hartsubstrates gleich mit vorgesehen um absterbendes Material zu entfernen ohne das Gestein zerlegen zu müssen. A und O ist immer die Sauerstoffsättigung des Aquariums, Abbauprozesse durch sich ansammelnden Mulm müssen unterbunden werden. Die Seegräser benötigen einen starken Wasseraustausch ohne dass sie sich verheddern und letztendlich darf der Sand nicht in die Ecken verdriften. Für all diese Forderungen habe ich eine einfache Lösung gefunden. Ein im Bodengrund verlegtes Ringsystem und 2 an der Wasseroberfläche getaktet geschaltete Ringsysteme machen eine Wasserbewegung möglich, die meinen Vorstellungen einer guten Wasserbewegung entsprechen.
    Im Zusammenhang mit der Sauerstoffsättigung möchte ich gleich auf die weitere Wasserbehandlung eingehen. Das ist eine exzellente Abschäumung in Verbindung mit UV-C und/oder Ozon-Luftgemisch (Ozon habe ich im Moment nicht im Einsatz). Der Grund für solch eine Radikalmaßnahme hat folgende Gründe: Einerseits ist die Stoffwechselgeschwindigkeit im Kaltwasser wesentlich langsamer ablaufend, andererseits führen stagnierender Pflanzenwuchs in der dunklen Jahreszeit und durch ansteigende Temperaturen im Frühjahr bedingt die Bakterien Vermehrung, zu einer Anreicherung ungünstiger Stoffwechselprodukte und Sauerstoffzehrung.


    Die Beleuchtung, die in unseren Breitengraden durchaus die Intensität der Tropen erreicht, ist mit Leuchtmitteln bestückt, die einen gewissen Anteil an langwelliger UV-Emission ermöglicht. Bei HQI Einsatz wären die Schutzglasscheiben durch Silikatglas zu ersetzen, bei Leuchtstoff Lampen sind die BIO Licht Leuchtmittel der Firma NARVA (ein kaltweißes Licht mit dem Farbwiedergabe Index Ra 96) hervorragend geeignet. Wie wir wissen, ist der langwellige UV Anteil für viele Stoffwechselprozesse der Tiere aber auch der Pflanzen unverzichtbar. Ich habe diese Lampen im Verhältnis 3:1 mit der Lichtfarbe 67 kombiniert. Auf eine gute Kühlung ist in unserem Fall zu achten, denn die Temperatur ist ein Faktor für eine längerfristige, erfolgreiche Pflege. Die Sommertemperaturen dürfen dabei durchaus auch 25°C erreichen. Aber viel wichtiger ist die Temperaturabsenkung während der Wintermonate, die für etwa 4 Wochen im einstelligen Bereich liegen sollte. Ich weiß, dass es in einer Wohnung nicht immer einfach ist diese Bedingung zu erfüllen. Die Kühlung durch technische Geräte ist ein nicht unerheblicher Kostenfaktor bei laufendem Betrieb. Ich habe deshalb eine Verdunstungskühlung durch regelbare Lüfter installiert, eine für meine Zwecke ausreichende Maßnahme. Raumbelüftung und Isolierung des Aquariums tragen zur Stabilisierung bei. Wenn man Seenelken und andere Aktinien pflegen möchte, genügt das allerdings nicht. Hier muss die Temperatur auf max. 20°C für eine nur kurz andauernde Periode begrenzt und für den Normalfall auf etwa 15°C im Sommer gehalten werden. Das schaffe ich ab Mitte September bis etwa Mitte Mai. Darum ist die Haltung der Aktinien noch nicht Bestandteil meines Aquariums- vielleicht wäre dennoch die Pflege der Pferdeaktinien Actinia equina oder auch der Höhlenrose Sargartia tryglodytes bei meinen Bedingungen möglich.


    Die Nährstoffversorgung der Pflanzen
    Eine erfolgreiche Pflanzenpflege ist, wie ich schon andeutete, eine Herausforderung, bei der wir uns als Aquarianer noch Sporen verdienen können. Betrachten wir die natürlichen Verhältnisse, haben wir einerseits durch die große Wassermenge, andererseits durch Verfrachtung und Eintrag einen riesigen Nährstoffpuffer zur Verfügung. Diese Bedingungen sind im Aquarium schwierig zu realisieren und schnell sind essenzielle Nährstoffe erschöpft und ungünstige Anreicherungen von Phosphat und Nitrat beeinflussen das Aquarium Milieu negativ. Hier kommen noch der Einfluss von Bakterien, Hefen, Pilzen und der Tierwelt dazu, über die wir nur wenige Kenntnisse haben. Erschwerend ist im Brackwasser die Ionen Anomalie, welche erheblichen Einfluss auf die Stabilität der Karbonathärte und Kalziumversorgung haben. Aktuelle Fachliteratur ist in deutscher Sprache kaum verfügbar oder gar öffentlich zugängig. So musste ich hier experimentieren und leider ist es mir oft nur teilweise gelungen sehr begehrte Pflanzen erfolgreich zu kultivieren. Für das Seegras habe ich auf eine Mineralstoff Versorgung und Schlickanreicherung im Bodengrund geachtet, Nitrate zugegeben und Spurenelemente eingesetzt. Vitaminzugaben und Einsatz von Aminosäuren haben immerhin teilweise sichtbar positive Eigenschaften auf die Pflanzen (und auch die Filtrierer). Dennoch ist das noch nicht ausreichend oder gar befriedigend! Der oder die fehlenden Komponenten sind noch nicht erkannt. Eine Möglichkeit habe ich noch nicht versucht- die CO² Anreicherung. Um hier reproduzierbare Ergebnisse vorweisen zu können, benötige ich ein Messgerät mit Temperaturstabilisierung für ein niedriges Temperaturniveau.


    Die Ernährung der Tiere
    Das beste Futter für die Fische und Wirbellosen ist Lebendfutter. Hier ist es möglich neben einheimischem marinem Zooplankton Futtertiere des Süßwassers zu benutzen, einige Futtermittel sind bei den Zoohändlern in der Regel ständig verfügbar, einige muss man züchten. Futterzucht beginnt bekanntermaßen mit der Kultur mehrer Arten Phytoplankton, ebenso sind mehrere Arten Zooplankton für die ausgewogene Ernährung der Fische unverzichtbar. Heute sind wir in der Lage, diese Bedingungen bei nur mäßigem Aufwand zu erfüllen. Das heimische Phytoplankton dagegen ist in seiner Kultur leider äußerst anspruchsvoll denn die meisten Arten sind streng kalt stenotherm. Aber hier ist der Einsatz von lebenden Planktonpräparaten und Gemischen der wärmer zu kultivierenden Arten sehr gut möglich. Pionierarbeit dazu hat Herr S. Jentsch geleistet, dem ich viele Anregungen und auch praktische Hilfestellung verdanke.
    Leider sind Ersatzfuttermittel wie Frost- und Trockenfutter den Fischen schwer zu vermitteln und nur bei wenigen Tieren erfolgreich. Grundeln und Garnelen kann man teilweise mit Futtergranulaten ernähren, aber auf Dauer wollen auch diese Tiere Abwechslung. Frostfutter ist aus meiner Sicht (nicht nur) in einem Kaltwasseraquarium als sehr problematisch einzuschätzen. Die Fische benötigen einen bestimmten Fressreiz um dieses Futter zu „jagen“ und Stofffreisetzungen durch in Suspension gehende Inhaltsstoffe führen zu einer unbedingt zu vermeidenden Bakterienvermehrung und Wasserbelastung.
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  • Fortsetzung
    Noch ein kleiner Hinweis zur Pflege der Fische. Bitte nutzen Sie die Möglichkeiten der Elektronik um das Licht langsam auf- und abzudimmen. Die Tiere sind sehr schreckhaft und springen sehr gut. Ein Nachtlicht ist zum Beobachten sehr empfehlenswert; viele Tiere haben mit Beginn der Dämmerung ihre größte Aktivität wie die scheuen Seezungen.
    Somit komme ich schon langsam auf den Besatz des Aquariums zu sprechen. Sehr gut haltbar sind die Stichlingsarten, Grundeln, Plattfische und Seenadeln. Kommen wir mit dem Futter und der Temperaturabsenkung im Winter ihren Lebensbedürfnissen entgegen, haben wir lange Freude an diesen Tieren. Das trifft auch auf Garnelen zu und Muscheln, die recht unproblematisch sind.
    Natürlich wollen auch die Filtrierer gut ernährt werden. Planktonpräparate und auch Bakterien, die trotz UV Behandlung immer noch reichlich im Aquarium vorhanden sind, ermöglichen eine erfolgreiche Pflege und Vermehrung. Zu den Filtrierern gehören verschiedene Muscheln aber auch die Seescheiden und Schwämme, die sehr schön gefärbt sind. Leider ist es mir nach 4 Jahren nicht gelungen, alle gewünschten Tiere zu fangen und so hoffe ich nächstes Jahr erfolgreicher zu sein.
    In einem Sandaquarium sollte man besonders auf die Tierarten achten, die den Bodengrund besiedeln. Sie lassen sich recht einfach mit Sieben erbeuten. Dazu gehören vor allem die Polychaeten, kleine Würmer, Muscheln und Garnelen, die durch ihre Aktivität den Bodengrund bewegen und als Strudler und Suspensionsfresser eine wichtige Funktion der Biologie im Aquarium erfüllen. Aber auch die das Gestein besiedelnden Makrophyten sind dicht besiedelt; je feiner deren Struktur desto stärker ist die Tierdichte. Dass sie eine andere Tierwelt beherbergen als die der Sandzone ist einleuchtend. Leider gelingt es im Aquarium nicht diese Strukturieren und Siedlungsdichten beizubehalten. Mein Aquarium ist deshalb für eine Erweiterung durch ein Refugium vorbereitet. Welch eine Faszination durch die Tiere und Pflanzen ausgeht, möchte ich mit der Gesamtaufnahme des Aquariums zeigen. Falls Sie Interesse an solch einer Aquaristik haben, werden Sie auf der Homepage der Fachgruppe Meeresbiologie fündig, in der ich weitere Berichte und Erfahrungen schildere.


    Mit freundlichen Grüßen
    Dietmar