Lebendfutter Teil 1: nicht nur für Meeresaquaristik

Meine Motivation


Oft werde ich gefragt, woher man lebende Futtertiere für die Seewasseraquaristik beschaffen kann und nach den Erträgen bei der Produktion. Im Handel findet man gelegentlich Lebendfutter; es beschränkt sich leider allzuoft auf nur wenige Arten mit stark schwankender Verfügbarkeit und es ist teuer. Besonders kritisch wirkt sich das auf die Situation der Nachzucht von Wirbeltieren aus, bei dem man während der Larvenstadien der Fische ohne Lebendfutter nur geringe Aussichten auf eine erfolgreiche Vermehrung hat.

Glücklicherweise sind die Süsswasserfritzen nicht zwingend auf diese Methoden angewiesen- die großen Erfolge in der Nachzucht der Tiere ist ein deutlicher Beleg dafür. Ausgehend von der Tatsache, dass in den nächsten Jahren das Beschaffen von Wildfängen in der Seewasseraquaristik immer schwieriger werden wird, liegt es auf der Hand, warum wir uns mit dieser Problematik auseinandersetzen müssen. Erste Erfolge sind Ansporn für uns, sich in die Materie zu vertiefen und sie setzen immer wieder Innovationen frei. Einen kleinen Ausschnitt stelle ich Euch hiermit vor.


Beschaffung, Hälterung und Zucht


Fischzucht bedeutet daher in erster Linie Futtertierzucht. Um ein ausgewogenes und verwertbares Futter bereitzustellen genügt es nicht, sich dabei auf einige wenige Futtertierarten zu beschränken. Im Gegenteil- je größer die Palette an Futter, um so abwechslungsreicher und ausgewogener ist die Ernährung. Das ist entscheidend weil die verschiedensten Eiweiß- und Fettkombinationen, Enzyme, Hormone, Vitamine und vorverdaute Nahrungsbestandteile dem noch nicht voll entwickelten Organismen in einer Form verabreicht werden muss, die eine Futterverwertung ermöglicht. Das wiederum setzt eine ausgewogene Ernährung der Futtertiere voraus, sind elementare Voraussetzung für brauchbares Futter. Das erreicht man am einfachsten und besten durch eine Kombination an Phytoplankton. Auch hier gilt der Grundsatz der Vielseitigkeit damit die Futtertiere eine Palette an Inhaltsstoffen für ihre eigene Ernährung zur Verfügung steht und gleichzeitig durch Konzentration der Partikel im Verdauungskanal den Fischen zugeführt wird. Hier werden die Grundlagen gelegt, die über Erfolg oder Mißerfolg ausschlaggebend sind. Das wiederum setzt die genaue Kenntnis über den Bau und Funktion des Verdauungssystems der verschiedenen Entwicklungsstadien der Fische voraus, die Kenntnisse der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe der Futtertiere und natürlich auch die der Algen. Anhand dieser Komplexität braucht es etwas an Erfahrungszeit und Übung im Umgang mit Futter. Doch keine Angst, mit etwas Geduld bekommt man recht schnell ein Gefühl dafür.


Bei der Auswahl an Futtertieren sind neben den Inhaltsstoffen weitere Dinge zu überlegen. Um einige Stichpunkte zu nennen: Futtergröße, Schwimmverhalten, Darreichungsform, Verweilzeit der Nahrung im Verdauungssystem, Futterintervall, Erkennbarkeit des Futters für die Fische, Futterdichte, Wasserbelastung im Aufzuchtbehälter. Lärm und Lichtstress, Hantieren im Behälter bei der Reinigung, Fütterung und Pausenzeiten sind weitere Aspekte. Nicht zuletzt gehören Bau und Funktionalität der Aufzuchtbehälter für die Larven zu wichtigen Voraussetzungen. Dazu sind selbstredend die Arbeitszeit und der Aufwand beim Hantieren nicht zu unterschätzende Faktoren; aus Lust kann auch mal Last werden! Doch auch hier bieten sich Lösungsansätze, auf die ich noch eingehen werde.


Die Fütterung hängt also unmittelbar mit den Bedürfnissen der Larven zusammen. Die meisten Larven sind klein, sie benötigen daher sehr kleines Futter. Da ich schon auf die Problematik der Verfügbarkeit von Futter eingegangen bin, möchte ich einige Alternativen aufzeigen um die Palette an Futtertieren zu erweitern oder den Grundstock einer Futterzucht zu ermöglichen. Zooplankton findet man in den heimischen Gewässern in großer Artenzahl und auch in großen Mengen. Besonders die Boddengewässer der Ostsee sind auf Grund der Eutrophie Ertrag reiche Gewässer. Als Beispiel soll hier die Artenzusammensetzung des Zooplanktons genannt werden: 66 Arten Rotatorien, 20 Arten Phyllopoden, 14 Arten Copepoden, dazu kommen noch diverse weitere temporär vorhandene Larven weiterer Taxa.


Leider werden viele Arten bei der Futterauswahl erst gar nicht berücksichtigt obwohl sie nicht nur leicht zu halten sind sondern eine hohe Reproduktionsrate besitzen, mit schwankenden Salzdichten und Temperaturverhältnissen bestens zurecht kommen. Für die Futterzucht sind das ideale Voraussetzungen! Wasser, Salz und Energiekosten können bei der (Massen) Zucht verhältnismäßig hoch werden, die Reproduktionsrate ist bei niedrigeren Temperaturen besser als bei tropischen Planktonarten mit ihren Ansprüchen an biologische Parameter.

Nicht nur das Zooplankton, welches ich bei der Artenzusammensetzung nannte ist in der Zucht von Fischen brauchbar. Viele Tiere wie Muscheln, Schnecken, Würmer, Foraminiferen usw. geben ihre Larven in hohen Zahlen weiter. Das kann man durchaus für die heimische Futterzucht nutzen, die Larven dieser Tiere sind sehr klein und lange pelagisch. Eine Handvoll Miesmuscheln die man sehr gut an höhere Temperaturen anpassen kann, sind außerordentlich produktiv... Durch Manipulation dieser Tiere ist die Larvenabgabe einigermaßen steuerbar. Der hohe Eiweißanteil ist für die Fischlarven ein ausgezeichnetes Futter und leicht verdaulich und auch die Größe der Larven der Muscheln stimmt. Das nur mal als Beispiel und Denkansatz für die Erweiterung des Futterangebotes für die Zucht. Nicht umsonst sind Vorkommensgebiete mit nennenswerten Muschelbeständen außerordentlich dicht von Tieren besiedelt. Beonders die Grundelarten profitieren davon, wie man sich das einmal in einer Aufnahme vom Riff Nienhagen betrachten kann.


http://www.riff-nienhagen.de


Bei frisch mit Lebendgestein bestückten Aquarien, bei denen der Fischbesatz kurz bevorsteht, sehen wir die gleiche Individuendichte an Kleinstlebewelt, wenn man in der Nacht mit der Taschenlampe solch ein Aquarium beleuchtet. Darin wimmelt es geradezu vor Organismen, die besonders in der Nacht im Freiwasser gut zu beobachten ist. Tagsüber sind die Mengen an Tieren kaum zu sehen- so wie in der Natur, wo das Zooplankton erhebliche Wanderungen in der Wassersäule vollzieht. Bei unserer Ostsee Exkursion im September suchen wir nach Anbruch der Dunkelheit den Hafen auf und beobachten die Vorkommen des Planktons.


Einen kleinen Wermutstropfen gibt’s beim heimischen Phytoplankton zu beachten. Einmal ist die Verfügbarkeit und Zusammensetzung innerhalb eines Jahres stark schwankend. Durch Temperatur und Lichtangebot kommt es zu einer erheblichen Verschiebung in Anzahl und Zusammensetzung und dazu kommt in stark eutrophen Gewässerabschnitten die Dominanz von kleinzelligen und kurzlebigen Blaualgen, die für die Ernährung der Futtertiere denkbar ungeeignet ist. Ein weiteres Problem sind die sehr eng tolerierten ökologischen Parameter bei denen die von uns für die Futterzucht bevorzugten Algenarten gedeihen. In der Regel sind diese Algen streng stenohalyn und stenotherm. Eine für die Produktion denkbar ungünstige Voraussetzung! Hier muss man alternativ auf tropische oder besser gesagt, auf Arten zurückgreifen, die höhere Temperaturen und Salzdichteschwankungen besser ertragen können. Dafür ist selbstverständlich auch limnisches Phytoplankton geeignet, ein für die Kosten der Produktion wichtiger Faktor. Diese Phytoplanktonarten werden sehr gut von dem heimischen Zooplankton angenommen so dass ich hier keine Schwierigkeiten sehe um eine stabile Futterzucht aufzubauen.


Wie kann man nun eine Futterzuchtstation bauen in der man eine große Palette an Arten verfügbar hat, eine Entnahme von Futtertieren für Zuchtansätze für selektive Zucht möglich ist und die einige Zeit ohne ständige Manipulationen am Leben bleibt?

Dafür bieten sich nach meinen Erfahrungen verschiedene Vorgehensweisen und Lösungsansätze an. Ich werde im nächsten Beitrag die Konstruktion einer Futterstation beschreiben, einen Lebendfutterautomat zur Diskussion vorstellen bis hin zu einem kompletten, modularen auszubauenden System.


LG Dietmar